Donnerstag, 9. August 2012

Und noch mehr von Schweden! - Teil 2

Am 3. August machen wir uns weiter auf zum "Storforsen". Bis dorthin sind es "nur" 180 km. Das ist leicht in 2 Stunden zu schaffen und da wir auf dem Weg in den Norden sind, machen wir einen kleinen Ausflug nach Arvidsjaur.

Auf dem Weg nach Arvidsjaur die ersten Rentiere - schnell aus dem Fenster "geschossen"

Ein besonders schönes Exemplar rennt nicht gleich weg.

Arvidsjaur liegt in der historischen Landschaft Lappland in der Län Norrbotten und ca. 100 km suedlich des Polarkreises. Der Ort war schon immer ein traditioneller Treffpunkt der Waldsamen. Im Jahr 1607 wurde darum hier eine der ersten Kirche auf Samengebiet gebaut. In Arvidsjaur befindet sich "Lappstaden". Diese "Stadt" wurde gezwungenermassen aufgebaut nachdem um 1600 die Samen christlich bekehrt wurden und per Kirchenpflicht zum Kirchenbesuch "verdonnert" wurden. Da die Samen aber um diese Zeit noch eher nomadenhaft lebten, weit draussen in den Wäldern bei ihren Rentieren, war es beschwerlich, dieser "Pflicht" nachzukommen. Die Abstände zu den Kirchen war einfach zu gross und so wurden Uebernachtungshuetten an den Zufahrtswegen gebaut. Auch Bauern und Buerger hatten ihre eigenen "Kirchstädte" in denen sie nur uebernachteten - während grosser Feiertage. Die "Huetten" der Buerger und Bauern mussten der modernen Bebauung von Arvidsjaur weichen.
Noch in der heutigen Zeit erwacht "Lappstaden" zum Leben - trotz modernern Bewegungsmittel wie - im Sommer  "Quads", im Winter "Snöscooter" oder sogar mit Hubschraubern, mit denen selbst die einsamsten Samen grosse Strecken in kurzer Zeit ueberwinden könnten. Dieser "Versammlungsfeiertag" am letzten Wochenende im August dauert heutzutage von Freitag bis Sonntag. Es wird dann nicht nur gebetet, auch werden wichtige Stammesangelegenheiten besprochen, es gibt Wettbewerbe wie Lassowerfen und Scharfschiessen und es wird geräuchertes und gedörrtes Renfleisch versteigert. Diese Versammlungen dienen aber auch dem gesellschaftlichen Leben - hier lernt man sich auch heute noch "kennen und lieben".
Wir wollen uns natuerlich diesen geschichtsträchtigen Platz anschauen und parken im Zentrum von Arvidsjaur, gleich hinter ICA!!
Arvidsjaur ist klein, kleiner als Söderhamn. Alles ist zu Fuss gut zu erreichen.

Auf einem Platz mitten im Städtchen diese nette Gruppe.
Auf dem Weg durch die Stadt kommen wir auch an der Kirche vorbei. Die schauen wir uns natuerlich auch mal an. Typisch - wuerde ich sagen - wie die Kirchen hier in Schweden sind. Eigentlich nicht nur ein Ort fuer Gebete und Rituale sondern auch ein Ort der Begegnung und des Gesprächs.Die Kirche wurde hier 1903 hier erbaut und zwischen 1949 und 1950 komplett restauriert. Sie ist, wie alle ihre Vorgängerinnen, aus Holz.

Vom Eingang aus fotografiert.

Zum Ausgang hin.
 Bemerkenswert!! Alle Sitzplätze werden beheizt!! Kann man sich auch gut vorstellen. Wenn wir hier in Mohed im Winter schon mal 20 Grad Minus haben, dann sind es dort sicherlich öfters 30 Grad Minus.
Die Kirche steht etwas erhöht inmitten von gruenen Flächen.
Am Eingang von Lappstaden stehen Infoschilder und Ralf und ich lesen. Ein Mann - mitten/ende 40, leicht zauselig - geht an uns vorbei und gruesst freundlich und wir natuerlich zurueck. Daraufhin ergiesst sich ein Wortschwall ueber uns: "Aha - sie sind Deutsch? Wollen sie auch Steuern und Abgaben sparen? Lesen sie meine Internetseite (fuer mich unverständliches Zeug)  und seien sie vorbereitet (ich schreibe mir die Internetseite auch auf)!! Die "Auserwählten" haben die Macht, das Geld und das Sagen! Laberrabharber-lalalaaber!!!"
Wir und vor allem ich, sind ja immer ein bisschen neugierig. Also lassen wir ihn schnacken und ich stelle zwischendurch mal ein paar Fragen. Seine "Darstellungen" kommen mir irgendwie bekannt vor?? Habe ich sowas ähnliches nicht im Schweden-Forum mal gelesen?? Ein bestimmter User stellte dort auch oft seine "Verschwörungstheorien" vor und so frage ich ihn: "Wie heisst du denn eigentlich und woher kommst du?" Er antwortet mir wie aus der Pistole geschossen: "Adolf"!!! Heeeeeeeeeee?????  Na ja - danach war mir alles klar auch seine Ausfuehrungen zu Juden und deren - seiner Meinung nach - Verhältnis zu Geld. Andeutungsweise kam auch rueber, dass er nicht so ganz an den Massenmord im "Dritten Reich" glaubt. Da wird es uns zu bunt und wir versuchen uns - freundlich aber bestimmt - loszueisen. Er verabschiedet sich mit Handschlag, läuft weg, kommt uns nochmal hinterher und versucht aufs Neue was zu erklären. Aber da sage ich klipp und klar: "Nu is genuch - hej då!"
Nachdenklich aber auch mit einem Schmunzeln im Gesicht können wir unsere Besichtigungstour fortsetzen.

Die "gåhtie" - das samische Wort fuer "Uebernachtungshuette"
 Die Form der "gåhtie" ist den Zelten der nomadisch lebenden Sami nachempfunden.

Stabile Blockhäuser, mit etwas mehr Komfort??
 Leider können wir nirgendswo reinschauen. Die Fuehrung soll erst um 18.00 h heute abend stattfinden, da wollen wir doch schon am Storforsen sein.

Hier wird sich getroffen, hier wird geredet und hier wird gehandelt.

Schön - so in der Sonne.

Da wird nicht mehr drin gekocht - das ist ein Aschebecher!!

Ein idyllischer Platz.
Nach dieser Tour kaufen wir nochmal bei ICA ein und weiter gehts zum Storforsen. Der Weg fuehrt uns durch eine Landschaft, wie ich mir Lappland vorgestellt habe. Sehr feucht, weit, mit eher wenigen Bäumen dafuer mit vielen Seen. Wenn Bäume, nicht so hoch wie hier bei uns in Hälsingland. Und bei allerschönstem Wetter macht das Reisen grossen Spass.

Lange einsame Strassen - nur ab und zu noch mal Rentiere.
 Aber die fotografiere ich nicht mehr - die gleichen sich wirklich alle!


Ist es nicht eine fantastische Landschaft??

Ich endecke einen Kranich weit draussen und kann ihn mit Hand so nahe heranzoomen!

Es sind sogar zwei!
Wir kommen so gegen 16.00 h endlich in Storforsen an. Irgendwie bin ich total erschöpft, Ralf will - nachdem der Wohni wieder auf seinem Platz steht - sofort los. Ich muss ihn erst noch ueberzeugen, dass ich erst mal ein Päusschen brauche. Einfach nur rumlungern, ein bisschen lesen und vielleicht nen Kaffee in der Sonne geniessen.
Nachdem ich wieder "bei Kräften" bin, machen wir uns auf, um an den Wasserfall, den man auch gut vom Campingplatz hören und sehen kann, zu wandern. Der Weg geht am Wasserfall vorbei und durch ein Naturreservat. Dieses wurde 1971 durch Norrbottens Län gebildet und ist auch Teil des Europäischen Netzwerkes fuer geschuetzte Umgebungen: "Natura 2000". Das Naturreservat umfasst 125 hektar wunderschönes, schuetzenswertes und wertvolle Flusslandschaft mit einer grossen Fauna und Flora. Mal ganz abgesehen davon, ist der Piteälven mit 400 km vom Ursprung im Hochfjäll Sulidälbma bis zur Ostsee einer der wenigen, mit nur einem Wasserkraftwerken verbaute Strom in Schweden.
Ueber einen Steg geht es ueber einen der kleinen Nebenfluesse, dem Varjisån, weiter bis zum Wasserfall. Das Tosen wird lauter. Wir gehen durch den Wald am Fluss vorbei, hier sind dicke Steine aufgestapelt, um den Fluss in seiner Bahn zu halten. In frueheren Zeiten hat man auf dem Piteälven die Holzstämme geflösst. Der Steg wird ab und zu zur Treppe und so können wir bequem am Wasserfall vorbeiwandern. Den Blick wie gebannt auf die tosenden Wassermassen gehe ich immer weiter. DAS ist wirklich fantastisch schön und aufregend. Kaum mit Worten zu beschreiben.
Der Storforsen hat auf 5 km eine Fallhöhe von 82 m. Auf den letzten 600 m sind es 50 m!!!!! Durchschnittlich rauschen 162 kubikmeter Wasser pro Sekunde hier runter.  Diese Mengen variieren ueber das Jahr hin - wie man sich denken kann. Nach der Schneeschmelze erreichen die Fluten Höchststände und ueberschwemmen auch das momentan gruene und bluehende Delta. Im Winter kommen die Fluten fast zum Stillstand. Oft ist der Storforsen total gefroren. Das wuerde ich mir auch gerne mal anschauen. Vielleicht auf dem Weg zum "wintermarknad" in Jokkmokk?? Mal sehen.
Aber erst mal sind wir am Storforsen und hier gibts nicht nur den Campingplatz sondern auch ein tolles Hotel mit allem drum und dran.
Das ist eine Kapelle - hier kann im Angesicht des Wasserfalls z.B. geheiratet werden.

In der Ferne sieht man in runterbrausen.

Wo Wasser ist, sind Bachstelzen immer zu finden.

 
Der Steg ueber den Varjisån

Blick zurueck zum Hotel und der Kapelle.






Hier sprudelt das Wasser durch den Steinwall, der die Wassermassen leiten soll.
 
Wouw!!!!




Die Sonnenstrahlen brechen sich im Wasserdunst und es entsteht ein Regenbogen.
 Neben dem eigentlichen Wasserfall gibt es hier noch den sogenannten "toten Wasserfall". Im Laufe der Regulierung der Wassermassen, wurden einige Stellen quasi trocken gelegt. Hier findet man aber tiefe und flache Stellen, von denen in den tieferen Stellen immer noch Wasserdurchläuft und als Badeseen genutzt werden kann.


Wie man sieht, läuft hier Wasser zu und natuerlich auch wieder ab.
 An den flachen Stellen hat man Feuerstellen und Picknickplätze gebaut. Hier kann man mit Freunden oder Familie einen schönen Sommertag wunderbar geniessen.

Hier haben sich kleine Canyons gebildet.

Der Wasserfall und ich......
 
Nochmal ein Regenbogen,


Das Wasser hat durch Strudel tiefe Löcher in die Steine gegraben - dieses ist fast 2 m tief!!




Ralf und der Wasserfall!!
Und zum guten Schluss noch ein kleines Filmchen.



Nach unserer Wanderung und fast 3 Stunden später kommen wir wieder zum Campingplatz. Ralf baut den Grill auf und nach dem Essen gibts noch ein Bierchen und dann gehts auch bald ins Bett. Morgen geht es weiter nach Harads. Dort besuchen wir deutsche Auswanderer!!



7 Kommentare:

  1. Liebe Lisa,

    mal wieder habe ich voll Neugier gelesen und konnte gar nicht aufhören..... wunderschöne Bilder und ein klasse Bericht! Vielen Dank dafür und ganz liebe Grüße von Bea

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  2. Hallo Lisa, hallo Ralf, es ist toll über diesen Blog an Eurem Erlebnissen teilhaben zu können. Und Lisa, du schreibst sehr informativ und interessant. Vielleicht solltest Du über einen Karriere als Reisebuchautorin nachdenken, hihi. Da kommt doch bestimmt noch ein dritter Teil von Eurer Reise in den Norden, oder? Da freue ich mich schon drauf!!!! Liebe Grüße Andrea

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    1. Oje, gleich zwei Rechtschreibfehler, kann man die Kommentare auch bearbeiten?

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  3. Und schon passiert!! Teil 3 ist gerade fertig geworden!! Viel Spass beim Lesen. Und dass mit den Rechtschreibfehlern sehe ich nicht so eng!!

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  4. Hey, herzlichen Glückwunsch!
    Eure ersten Elche in freier Wildbahn !

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    1. Hej Adele, meinst Du die in Holy in Arvidsjaur oder hast Du die Rentiere mit Elchen verwechselt? Na ja - so ein "Jungspund", der noch nicht so rumgekommen ist, kannst Du das natuerlich nicht wissen ;-))

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  5. Hallo Lisa,

    danke für den schönen Bericht und die tollen Fotos.
    Ich war diesen Winter in Arvidsjaur und finde es faszinierend, wie anders die gleiche Landschaft ohne Schnee aussieht.
    Ich habe auch den Wasserfall wieder erkannt. ;-)
    Warst Du schon mal im Winter dort? Das Licht ist dann so atemberaubend, weil es nur 4 Stunden am Tag hell ist.

    Liebe Grüße

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